Deutschland, deine Hauptstadtjournos.
Und Teufelsaustreibung in Leipzig

SPAET am SONNTAG

Am Sonntag bleibt wieder die Zeit, nachzuholen, was uns in der Woche durch die Lappen gegangen ist. Auch machen wir einen Kurztrip nach Leipzig...

Deutschland, deine Hauptstadtjournos

Eine Spiegel-Reporterin beschreibt eine Busreise mit Nahles zu Beginn ihrer Parteiübernahme. „Ein Dutzend Hauptstadtjournalisten begleitet sie. ... Dann tritt ihr Pressesprecher dazu. Für das Abendessen gebe es mehrere Menüs zur Auswahl, sagt er, jeder solle wählen zwischen Rind, Schnitzel und Pasta. Also, wer möchte Rind?
Nahles hebt die Hand, und sofort melden sich auch alle Journalisten, mit Ausnahme zweier Vegetarier. ... Da entscheidet sich Nahles um, will doch das Schnitzel. Und wie kleine Kinder... wechselt einer nach dem anderen zum Schnitzel.“ Weiter geht es hinter der paywall, aber das interessiert uns schon nicht mehr. Das klingt doch schwer nach einem gruseligen Psychoexperiment. Und man mag sich gar nicht vorstellen, wie all die feinen Berichte aus Berlin zustande kommen. Kritikern, die bei den Vorabkontrollen durchgeschlüpft sind, wurde (und wird) wohl der Nachtisch gestrichen.

 

Teufelsaustreibung in Leipzig

„Der erste Städtetagspräsident aus dem Osten will klare Kante gegen die AfD zeigen“, schreibt die früher mal kluge FAZ, und schon müssen wir eingreifen. Zwar liegt Leipzig „im Osten“, der neue Städtetagspräsident Burkhard Jung ist hingegen ein Besserwessi, wie er im Buche steht. Da kommt was zusammen: SPD, Lehrer für evangelische Religion, und aus dem Homeland NRW, wo die roten Fahnen wehen (auch wenn heute Armin, der Laschet, darunter salutiert).

Und was ist das Wichtigste, das die FAZ vom Genossen Burkhard in ihrem ranschmeißerischen Beitrag („er trägt orangefarbene Socken... die dunklen sind schlicht ausgegangen“) zu berichten hat?

„Ich werde nicht aufhören, einen Nazi auch ’Nazi’ zu nennen.“ Wow! Hier treffen sich Otto Wels und Dietrich Bonhoeffer in einer einzigen widerständigen Person, dem Genossen und Theologieschulmeister Jung. Nur die Nazis fehlen, deshalb nehmen FAZ und Jung übereinstimmend wie ersatzweise die AfD. Umfragen sehen inzwischen jeden fünften Wähler in Sachsen das Kreuz bei der AfD machen. Die SPD liegt mit 11% auf Platz vier, und auch bei den Grünen (9%!) können die Genossen kaum Stimmen zurückholen. Da scheint die Wählerkriminalisierung nicht gerade ein Akt der Weisheit zu sein.

Nur mal zum Vergleich: Jung wurde 2006 mit 51,6% der Stimmen zum OB gewählt – bei einer Wahlbeteiligung von beschämenden 31,7% – da stand wohl nur die C-Prominenz zur Wahl. Hören wir ein klein wenig Demut aus dem Munde des Genossen theol. Jung? Mitnichten.

Aber der FAZ-Leser erfährt wenigstens Neues: Hieß es doch bislang, die Ossis regten sich über die massenhafte Zuwanderung auf, obwohl es dort gar keine Ausländer gäbe, sagt Jung mal, wie es wirklich ist: „Wir haben viele Menschen mit Migrationshintergrund und natürlich auch geflüchtete Menschen. Und interessanterweise scheinen gerade die, die dazukommen, sich umso stärker als Leipziger zu fühlen.“ Heißt in Abwandlung eines alten Bordellreklamespruchs: Sie kamen als Fremde, sie bleiben als Freund. Von daher verstehen wohl weder FAZ noch OB, warum in Sachsen die Zuwanderung und Innere Sicherheit die wichtigsten Themen für die Sachsen sein können, anstatt Klima, wie in Bottrop, Dortmund, oder beim ZDF.

Da fällt uns ein alter Zeit-Text über Leipzig in die Hände: „Willkommen auf der Eisenbahnstraße! Der gefährlichsten Meile Deutschlands, den ’kriminellsten 1,4 Kilometern’ der Republik“, wie der Focus neulich schrieb. „Tatsächlich liegt die Gegend um die Eisenbahnstraße in der Kategorie ’Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit’ in der Leipziger Kriminalitätsstatistik weit vorn. Im Jahr 2014 gab es hier 365 Körperverletzungen.“ Aber das ist noch lange kein Grund, sich aufzuregen! Die täglichen Händel gehören für die Besserwessis, Hamburger zumal, längst zur Multikulti-Folklore.

Auch beim Thema Finanzen rollt der FAZler dem Genossen Jung den roten Teppich aus. „Sie kommen aus einer Stadt ohne Liquiditätsschulden, aus einer wohlhabenden Stadt...“ „Na ja,“ antwortet der gönnerhaft, „unsere Gewerbesteuereinnahmen sind niedriger als die von Duisburg.“ „Aber Leipzig hat nicht Duisburgs Sozialausgaben und vor allem nicht seine Altschuldenbestände“, so die kenntnisreiche FAZ-Replik. Abwarten, fügen wir hinzu, überbordende Schulden und riesige Sozialausgaben, das schaffen die Genossen auch in Leipzig. Gebt ihnen nur etwas Zeit.

 

 

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